Straßenverkehr in Vietnam
Verbringt man seinen Urlaub in Vietnam, geht der Flug in der Regel nach Ho Chi Min City (Saigon) oder Hanoi und von dort auch wieder zurück. So muss man sich am Anfang und Ende der Reise zwangsläufig mit dem Verkehr auseinandersetzen, denn in einer Großstadt lässt er sich ja kaum umgehen. Bei der Reiseplanung hatte ich in erster Linie Bilder von Reisfeldern und friedlich arbeitenden Bauern mit Spitzhüten oder Boote in der Halong Bucht vor grünem Felsen und blauen Meer im Kopf. Verkehrsmittel kamen eigentlich nur am Rande vor, nämlich wie komme ich von Punkt A nach B. Die Realität hat einen schnell eingeholt und das bedeutet Straßen, ein paar Autos und Heerscharen von Mopeds und Motorrollern, die ständig von allen Seiten zugleich angebraust kommen. Vietnamesen halten – so sagte man uns – ungern an und wollen möglichst „fließend“ von einem Ort zum anderen gelangen. Da kann ein vorsichtig agierender Fußgänger natürlich nur stören.
Sofort nach Ankunft in Saigon erhalten wir von unserem Reisebegleiter eine kleine Einweisung, wie man langsam und mit einer abweisenden Handbewegung zu den jeweils nächsten Mopedfahrern ein Meer von hupenden Mopeds und Autos durchquert. Es kommt uns etwas albern vor, aber wir üben zunächst in der Gruppe eine Straße zu überqueren und beherrschen es nach ein paar Versuchen recht gut. Nun sind wir gewappnet jederzeit allein, die Straßenseite zu wechseln.
Gleich am nächsten Tag können wir Verkehrserfahrung der besonderen Art sammeln, denn wir sind den Verkehrselementen unmittelbar ausgesetzt, ohne sie wirklich beeinflussen zu können. Nur Ruhe und Gelassenheit sind gefragt. Es geht mit Fahrrad-Rikschas in das chinesische Viertel Cholon, was von unserem Hotel aus ungefähr eine dreiviertel Stunde dauert. Die Rikschas sind vom Aussterben bedroht und werden eigentlich nur noch für die und von den Touristen am Leben erhalten. Schwerfällig und behäbig bewegen sie sich vorwärts, nur auf großen breiten Straßen können sie etwas an Geschwindigkeit zulegen, denn ansonsten sind sie ständig eingekreist von Mopeds und Autos. Die Fahrer wissen sich jedoch gut gegen die „stärkeren“ Verkehrsteilnehmer durchzusetzen, vor allem wenn es über Kreuzungen geht oder sie sich auf eine Abbiegespur aussortieren müssen. Immer wieder schnellt ihr Arm hoch, um Autos und Mopeds Einhalt zu gebieten. Einige bedienen auch ihre Klingeln, was aber im allgemeinen Lärm und Gehupe meist untergeht. Gute Nerven muss man trotzdem bewahren, denn die Reaktionen sind häufig etwas langsam. So kommen einen Mopeds und Autos sehr nahe und ich denke, gleich werde ich „auf die Hörner“ genommen – nichts dergleichen. Ganz langsam dreht das Auto oder Motorrad ab. Oft glaube ich schon mein Fußbrett den Kotflügel eines Autos oder die Flanke eines Mopeds rammen zu sehen, aber jedes Mal geht es haarscharf gut. Nur beim Anfahren ist mein Rikschafahrer einige Male schneller als ein anderes Moped und fährt prompt auf. Ein genervt-gelangweilter Blick des Mopedfahrers streift unser Gefährt und schon ist wieder alles im Fluß.
Als wir nach ein paar Tagen im Mekong-Delta wieder nach Saigon zurückkehren, ist es Freitag. An diesem Wochentag will jeder früh nach Hause und so schwillt im Laufe des Nachmittages der Geräuschpegel vorbeisausender Vehikel in beängstigendem Maße an. Die Luft ist dermaßen abgasgeschwängert, dass man glaubt, ersticken zu müssen. Das Gehupe und Gedröhne abertausender Mopeds reißt nicht ab. Eine Unterhaltung auf offener Straße ist ebenso wenig möglich wie das unbeschwerte Wechseln der Straßenseite, um mal hier oder dort in die Auslagen eines Geschäftes zu schauen.
Ich brauche eine spezielle Speicherkarte für meine Kamera und pflüge mich nervös und schweißgebadet durch das Verkehrsgewühl zum Handyladen gegenüber unserem Hotel. Dort werde ich an einen großen Computerladen verwiesen, der auf derselben Straßenseite fünf Minuten die Straße hinunter sein soll. Ich mache mich auf den Weg und glaube mich auf dem Gehweg sicher - doch weit gefehlt. Plötzlich zischen mehrere Mopeds von hinten an mir hautnah vorbei. Geschickt lassen sie sich seitlich über die Bordsteinkante gleiten, um sich in den allgemeinen Verkehrsfluss der Straße wieder einzureihen. Einer scheint zwar vergessen zu haben, dass er auf dem Sozius hinten quer Holzstangen transportiert, denn er rammt sie aus Versehen einem Touristen in die Waden. Der reibt sich verwundert sein Bein, aber der „Spuk“ ist schon vorbei.
Ich erreiche schließlich eine größere Kreuzung und stelle zu meinem Erschrecken fest, dass sich das Computergeschäft leider doch auf der anderen Straßenseite und etwas hinter der Kreuzung befindet. Folglich muss ich erst nach rechts auf die andere Straßenseite und dann über die Querstraße. Eine Ampelanlage erleichtert das zwar etwas, aber nachdem sich viele Vietnamesen an eine solche Vorrichtung nicht gebunden fühlen, heißt es trotzdem aufgepasst. Die Ampel springt auf grün und nachdem die Mopeds bereits kurz vorher den Querverkehr durch allgemeines Anfahren zum Erliegen gebracht haben (die Ampel verrät in einer separaten Sekundenanzeige, wann sie die Farbe wechselt), kann ich mich relativ einfach bis zur Fahrbahnmitte vorarbeiten. Unbeeindruckt vom Rot der Ampel versuchen hier einige Mopeds nach vorne zu preschen. Für die Rechtsabbieger gibt es sowieso kein Halten. Schüchtern setze ich einen Fuß vor den anderen und schaffe es endlich ganz auf die andere Seite. Die erste Überquerung ist geschafft! Für die zweite habe ich ungeahntes Glück. Denn noch während ich gehe, ertönt plötzlich scharf eine Trillerpfeife. Die in braun gekleidete, am Straßenrand dösende Verkehrspolizei hat mich entdeckt – eine verlorene Langnase in einem Meer von Vehikeln.
Nun wird Ordnung geschafft. Ein weiterer durchdringender Pfiff und die Verkehrsteilnehmer halten sich zumindest an das Rot der Ampel. Noch muss ich die zweite Straße der Kreuzung überqueren. Der Verkehrspolizist springt beherzt in die Fahrbahnmitte und fängt an mit den Armen zu fuchteln. Er bringt die Massen zum Stehen und ich kann seelenruhig allein die Straße überqueren. (Die Einheimischen haben das natürlich schon längst getan.) Kein Moped oder Auto hindert mich. Etwas beschämt wegen des Aufsehens, das ich erregt habe, verschwinde ich schnell im Geschäft. Als ich nach einer Weile wieder herauskomme, ist der Polizist immer noch in Aktion. So kann ich recht entspannt in „frischen“ Abgasen zum Hotel zurückkehren. Ein paar Stunden später ist wieder alles beim normalen Verkehrsaufkommen – wobei normal natürlich relativ zu verstehen ist.
Wenn man den Verkehr in Saigon oder Hanoi heil überstanden hat, kann einem eigentlich im restlichen Vietnam nicht mehr viel passieren. In anderen Orten bin ich völlig erstaunt, wie harmlos und gemütlich der Verkehr vor sich hin rollt und wie viel rücksichtsvoller und langsamer sich die Einheimischen bewegen. Die Mopeds sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Auch wenn eigentlich kaum gerast wird und viele Touristen glauben, dass die Vietnamesen das Verkehrstreiben im Griff haben, haben wir in den drei Wochen doch so manchen Unfall gesehen.
Nicola Götz
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