Marokko – Wandern ist Ruhe
Auf der Wanderreise durch Marokko faszinierten mich besonders die Gegensätze des Landes. Fruchtbare Regionen wechseln sich mit leuchtenden über 200 m hohen Sandbergen im Erg Chebbi und hohen Bergen des imposanten Atlasgebirges (darunter der höchste Berg des Maghreb 'Toubkal') ab. Europäisch wirkende Städte stehen im starken Kontrast zu den einsamen Nomadensiedlungen und den idyllisch gelegenen Bergdörfern. Moderne Automarken, Motorroller und Fahrräder konkurrieren auf den Straßen mit klapprigen Eselskarren.
Die Vielfalt der Farben und Düfte in den Souks betört alle Sinne. Hier wird um jeden Dirham leidenschaftlich gefeilscht und am Ende hat mich der Verkäufer doch überzeugt, dass ich genau dieses Teil brauche und jetzt und hier bei ihm erwerben muss. Amüsant ist es auch, diesem Ursprung des Handelns und der Beharrlichkeit einfach nur zuzuschauen.
Und dann ist da noch das Essen! Die marokkanische Küche ist weit über ihre Landesgrenzen bekannt. Die Vielfalt der Gewürze, die Kombination der einzelnen Zutaten machen ihre Unwiderstehlichkeit aus: gezuckerte Pflaumen mit gerösteten Mandeln und Sesam in der Lamm-Tajine, Salzzitronen mit grünen Oliven in der Hühnchen-Tajine. Kreuzkümmel, Koriander, Gelbwurz, Zucker und Zimt in Kombination.
Kaum zu glauben, dass Zucker viele Jahrhunderte lang, genau wie Salz ein Luxusgut war und nur den Reichsten in Europa zur Verfügung stand. So erlangte Marokko seinen Wohlstand durch den Handel mit Zucker.
Über Rabat, eine der Königsstädte und Hauptstadt, erreichen wir das Ziz-Tal mit seinen malerischen Schluchten und den Dattelpalmoasen. Hier führt uns unsere Wanderung 17 km durch diese Oasen oder eher daran vorbei, denn zum ersten mal nach vielen Jahren der Trockenheit hat es in den vergangenen Tagen stark geregnet, was ein Durchkommen trockenen Fußes nicht möglich macht.
Wir wandern entlang eines einst großen Flusses, von dem nach dem Bau eines Staudamms und aufgrund fehlenden Schmelzwassers aus dem Atlasgebirge (bedingt durch den Klimawandel) nicht mehr viel übrig geblieben ist. Auch im Süden schreitet die Desertifikation voran, die Sahara breitet sich unaufhörlich aus. Wir staunen über ausgeklügelte Bewässerungssysteme und näheren uns einer gemütlichen Herberge.
Der nächste Reisetag führt uns ins Erg Chebbi mit seinen über 200m hohen Dünen. Zum Sonnenuntergang nehmen wir eine dieser Dünen in Besitz und erwarten mit Spannung das fantastische Schauspiel.
Wir verlassen unser Wüstencamp in Richtung Ait Oudinar (Dades Schlucht) vorbei an bizarren Felsformationen, den 'Doigts de Singe' (Affenfingern), die in der Nachmittagssonne rötlich schimmern, im Vordergrund die Lehmburgen und das satte Grün der Oase. Wunderschön.
Tags drauf führt uns die Wanderung einige Kilometer durch das Tal zu den Felsformationen und dann geht es für einige Stunden bergauf in das Atlasgebirge. Hier gibt es wenig oder keine Vegetation. Ein Teil des Weges führt uns durch eine enge Schlucht. Sie erinnert mich an den verwunschenen Seiteneingang in die Felsenstadt Petra in Jordanien.
Unterwegs treffen wir auf unseren Esel, der ist bepackt mit den Utensilien für die Übernachtung in den Höhlen der Nomaden und mit den Nahrungsmitteln für unser Mittagessen. Nach etwa sieben Stunden ist das Ziel erreicht. Ruhig und abgeschieden. Die Nomaden scheinen sich über unseren Besuch außerordentlich zu freuen und überschütten uns mit ihrer bedingungslosen Gastfreundschaft. Es gibt Tee und Fladenbrot und wir unterhalten uns mit Händen und Füßen. Es schläft sich wunderbar kühl in den Höhlen und irgendwie fühlt man sich hier ausgesprochen wohl und geborgen. Ein tolles Erlebnis!
Früh am nächsten Morgen verlassen wir die Nomaden und steigen ab ins Tal. Dort erwartet uns der Bus und die Reise geht weiter nach Ait Benhaddou, der größten Kasbah Marokkos und einst Kulisse für den Film 'Lawrence von Arabien'.
Die Blasen an den Füßen werden während des Fahrtags gepflegt. Die Augen kommen nicht zur Ruhe, denn die Fahrt geht über den Tichka Pass nach Imlil, zu Füßen des Toubkal.
Imlil ist Ausgangspunkt unserer 2-tägigen Wanderung, bei der wir rund 600 Höhenmeter überwinden müssen. Es lohnt sich, denn dies ist aus meiner Sicht eine der schönsten Landschaften Marokkos! Natürlich sehe ich das nur in diesem Moment so, denn es gibt so viele schöne Flecken in diesem Land und so ist auch unsere letzte Tour nicht vergleichbar mit den vorherigen. Jede der Landschaften ist bezaubernd und lädt dazu ein, sie kennen zu lernen. Kommt einfach mal mit!
Annerose Frank
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