Canadian Fastfood

Canadian Fastfood

Durch kanadische Wälder zu wandern, wird für mich von einem unbehaglichen Gefühl begleitet, auch wenn die Natur noch so traumhaft ist. Jedes noch so leise Knacken, jedes undefinierbare Geräusch lässt einen hochschrecken und sich ängstlich umsehen.

Unwillkürlich muss ich an den lockeren Spruch unserer Reisebegleiterin denken: „Step out of the car and into the food-chain!“ sagte sie und lachte dabei.

Canada_Kanadischer Wald_Denise_FOC


Ich hingegen muss unbehaglich schlucken. In den dichten Wäldern Kanadas bewegt man sich als Mensch wie einst ein Neandertaler – immer auf der Hut vor Tieren, auf deren Speisekarte man selbst steht – nur mit dem Unterschied, dass die Neandertaler geschärfte Sinne besaßen, anders als ein gemeiner Mitteleuropäer, der sein Essen im Supermarkt kauft.

Wieder ein Geräusch.

Wie konnte ich nur auf die blöde Idee kommen, alleine spazieren zu gehen? Ich hätte dieses Glöckchen im Souvenirshop doch kaufen sollen! Das grelle Klingeln soll die Bären verscheuchen. Die Einheimischen feixen jedoch darüber und nennen diese Glöckchen „Dinner-Bells“, also der Klang, der den Bären signalisiert „das Abendessen ist angerichtet“.

Unserer Reisebegleiterin hat uns natürlich entsprechend instruiert. Beim Wandern in kanadischen Wäldern sollte man einiges beachten.

Erste Regel: nicht alleine durch die Wälder laufen. Okay. Diese Regel habe ich dummerweise schon mal gebrochen. Und die Begegnung mit einem Bären unbedingt Canada_Schwarzbär_Denise_FOCvermeiden! Das klappt am besten, indem man Lärm macht. Laut stampfen, singen, klatschen oder rufen soll Bären wirksam verscheuchen, denn eigentlich stehen sie nicht auf Menschenfleisch. Sie mögen es nur nicht, spontan mit dem Anblick eines Menschen überrascht zu werden. Indem man sich irgendwie akustisch bemerkbar macht, gibt man dem Bären die Gelegenheit, sich aus dem Staub zu machen.

Zweite Regel: Wenn man dennoch unvermittelt einem Bären gegenüber steht, sollte man zuallererst die Ruhe bewahren – okay...ob das eine realistische Reaktion ist, wage ich zu bezweifeln. Auf keinen Fall darf man den Weg des Bären blockieren! Stattdessen sollte man dem Bären behutsam klar machen, dass man ein Mensch ist und nicht sehr schmackhaft, also ruhig auf den Bären einreden, lautet die Devise. Wenn er dann keine Anstalten macht sich zu nähern, sollte man sich langsam zurück ziehen – niemals rennen, denn das kann der Bär immer besser und sicher schneller.

Stufe drei: Wenn ein Bär sich einem dennoch nähert sollte man ihn anschreien, das mögen Bären – ähnlich wie Menschen - nämlich überhaupt nicht.

Wenn das alles nicht hilft und der Bär angreift, kommt Stufe vier zum tragen: Man werfe sich flach auf den Boden und schütze den Kopf mit den Armen. Diese defensive Haltung signalisiert dem Bären sofort, dass man nichts Böses im Schilde führt und im besten Fall dreht er dann ab und geht seines Weges. Ich kann nur hoffen, dass der Bär auch die Warntafeln am Start der Wanderwege gelesen hat und weiß wie er auf diese „Brace-Position“ angemessen zu reagieren hat.

Ich räuspere mich, trete laut mit den Füßen auf, klatsche rhythmisch in die Hände und beginne zu rufen: „Liebe Bären der kanadischen Wälder, ich bin dummerweise alleine zu Fuß hier unterwegs, also geht mir bitte aus dem Weg, ich würde euch ohnehin nicht schmecken!“ Den Rest meiner minutenlangen Ode an die Bären erspare ich euch.

Aber gewirkt hat es, ich bin keinem Bären auf meiner Wanderung begegnet – wurde aber am folgenden Tag auf einem Ausflug mit dem putzigen Anblick dieser Braunbärenmama und ihrem Baby belohnt, die genüsslich die Köpfe der Löwenzahn-Pflanzen mampften und sich von uns dabei nicht stören ließen. Neben Beeren ganz sicher das liebste Fastfood der kanadischen Bären.Canada_Schwarzbär mit Baby_Denise_FOC

Denise Crocoll

Möchten Sie auch einmal in das wilde Kanada? Dann finden Sie all weiteren Informationen zu unserer Kanada-Reise hier!