Peru aktiv - unterwegs im Reich der Inka

Peru aktiv - unterwegs im Reich der Inka

Vom Pazifik auf die Andenkette - langsame Höhenanpassung ist ratsam

D Paracas Nationalpark, La cátedral (4)_FOC_ChristianHaugAuf der endlos erscheinenden „Panamericana“ rollten wir im Bus nach Süden durch eine traumhafte Felsen- und Meerlandschaft. Pisco, bekannt durch Weinanbau und vor allem durch seinen berühmten Traubenbrand, war Ausgangspunkt zu einer Wanderung in das Schutzgebiet auf der Halbinsel Paracas und einem Schnellbootbesuch auf den Ballestas-Inseln, den Kleinen Galapagosinseln. Millionen Vögel "produzieren" hier Guano; Kormorane, Tölpel, Humboldtpinguine und Seelöwenherden präsentierten sich.
Der Mumienfriedhof Chauchilla beherbergt inmitten der erbarmungslos trockenen Wüste eine Anzahl besterhaltener Mumien und Skelette aus der Prä-Inkazeit.
In die Sahara versetzt fühlte sich die Gruppe in der Oase Huacachina: inmitten von hohen Sanddünen wachsen um die kleine Lagune Dattelpalmen und Johannisbrotbäume. Barfuß bis über die Knöchel im Sand versinkend stiegen wir am Abend über 200 Höhenmeter auf die höchste Sanddüne und genossen hinter endlos erscheinenden Dünenkämmen den Sonnenuntergang.

J Nasca, Museo Maria Reiche, Lineas de Nasca, Cementerio Chauchilla, Aqueductos Cantalloc, Hotel Don Agucho (24)_FOC_ChristianHaug

Die deutsche Forscherin Dr. Maria Reiche untersuchte jahrzehntelang die berühmten Scharrbilder in der Wüste bei Nasca, wir überflogen mit dem Kleinflugzeug die fast 2000-jährigen Landschaftsbilder und gewannen einen Eindruck der rätselhaften geometrischen Figuren.

Dann kam der erste Aufstieg mit dem Bus auf über 2.300m nach Arequipa, welche die Peruaner auch "weiße Stadt" nennen, weil das weiße Vulkantuffgestein in der Stadt dominiert. Sie ist durch die schneebedeckten Vulkane El Misti, 5.822 m, Nevado Pichu Pichu, 5.664 m und den alles überragenden Chachani, 6.057 m umstellt - eine traumhafte Umgebung.
In das 17. Jahrhundert versetzte uns der Besuch des Klosters Santa Catalina, eine kleine Stadt in der Stadt.
 

Andenkondore über dem Colca Canyon

Den Patapampa-Pass, mit 4.800 m höchster Reisepunkt, mussten wir passieren, um an den Colca Cañon zu kommen, den tiefsten Canyon der Welt. Unterwegs sahen wir zahlreiche Lamas, Alpacas und Vicuñas. Am Cruz del Condor lauerten wir am frühen Morgen mit Kameras und Ferngläsern behangen bei schwindelerregenden Ausblicken auf die Andenkondore. Mit der ersten Thermik kamen diese auch unter uns aus den Felsnischen und schraubten sich ganz nahe an uns vorbei in die Höhe – ein beeindruckendes Schauspiel. Mit einer Spannweite von bis zu 3 m segelten die Könige der Anden anmutig über unseren Köpfen.
Auch der seltene grünblau schillernde Riesenkolibri wollte sich uns ganz nah zeigen. Damit hatten wir aber nur zwei der 170 Vogelarten gesehen. Eine lange und sonnige Wanderung an diesem Canyon entlang, vorbei an 20 blühenden Kakteenarten, belohnte mit schönen Aussichten und trainierte gleichzeitig unseren Kreislauf für das immer noch bevorstehende Hochgebirge.
Über oft unbefestigte Pisten durch das Altiplano führte uns wieder eine mehrstündige Busfahrt, die am Ende mit einem überwältigenden Ausblick auf den Titcacasee aufwartete.

Strickende Männer auf dem Titicacasee

O Puno, Uros, Amantani, Taquile, Sillustani (39)_FOC_ChristianHaugPuno am Titicacasee liegt auf rund 3.800 m und war unser nächstes Ziel. Er ist der höchstgelegene befahrene See der Welt. Ich habe hier 1998 zwei Semester Medizin studiert. Erste Kontakte mit Coca-Blättern hatten wir hier auf dem Markt. Als Tee oder durch Kauen können sie in dieser großen Höhe den Druck im Kopf lindern. Zu den Uros-Indianern auf den schwimmenden Schilfinseln fuhren wir mit einem großen Boot hinaus. Unter einfachen Verhältnissen war für uns die Übernachtung auf der Insel Amanati bei verschiedenen Familien vorbereitet - ein besonderes Erlebnis bei Kerzenschein und ohne fließendes Wasser.
Außergewöhnliches schloss sich am nächsten Morgen an: nach kurzer Bootsfahrt legten wir an der Insel Taquile an - hier stricken alle Männer! Ein gemeinsamer Verkaufsraum präsentierte eindrucksvoll die gesamte Produktpalette. Ähnlich den Bollenhüten aus dem Gutachtal im Schwarzwald (dort sinde es allerdings die Frauen) tragen verheiratete Männer andere Strickmützen als Ledige. Eine Rundwanderung auf steilen Felsenpfaden erinnerte an die Schmugglerpfade an der Costa Brava.



Über die südamerikanische Wasserscheide zum Nabel der Welt

Über den 4.300 m hohen Pass La Raya mit der Wasserscheide zum Pazifik/dem Amazonasbecken gelangten wir zu einem weiteren Höhepunkt unserer Reise, zum Nabel der Welt: der Stadt Cuzco. Sie ist die älteste bewohnte Stadt Lateinamerikas und Hauptstadt des einstigen Inkareiches. Hier findet man eine große Anzahl Inkaruinen mit massiven, passgenau gearbeiteten Steinmauern sowie viele spanische Kolonialbauten.
Wir genossen nochmals auf der Plaza de Armas deftige einheimische Küche und gutes peruanisches Bier vor dem Start zum viertägigen Inka-Trail. Überall lockte die neongelbe Inca Kola, ein geschmacklich herausforderndes Limonadengetränk, das es den Peruanern angetan hat.
Beeindruckend waren die Märkte in den Städten, auf denen es wirklich alles gab. Gänzlich unbekannte Südfrüchte konnten wir der Reihe nach durchprobieren, die frischen Säfte daraus waren ein Gedicht. Unzählige Kartoffelsorten und viel Getreidearten gab es in großen offenen Säcken. Allerdings waren hier im engen Menschengedränge die fingerfertigen Taschendiebe allgegenwärtig, wie einige Teilnehmer zu ihrem Leidwesen feststellen mussten.

Auf dem Pfad der Inkas

R Machu Picchu, Huayna Picchu, Puente Inca, Intipunku, Aguas Calientes (59)_FOC_Christian HaugNach einer Einweisung über Ausrüstung und Organisation durch unsere Führer konnte es losgehen. Entsprechend der Nationalparkverwaltung Machu Picchu sind die Trailwanderer auf 500 pro Tag limitiert. Aufgrund der Größe musste unsere Gruppe 16 Träger für Zelte, Proviant und Gas, vier Köche und zwei Führer anmieten. Inkapfade gab es über tausende von Kilometer im Inkareich. In regelmäßigen Abständen eingerichtete Läuferstationen garantierten schon damals die rasche Nachrichtenübermittlung binnen kürzester Zeit.
Im Heiligen Tal der Inkas, dem Urubamba-Tal, starteten wir frühmorgens beim legendären Kilometer 88 zur Vier-Tage-Tour mit Endziel Machu Picchu. Auf der noch nächtlichen Anfahrt umsäumten uns von der ersten Morgensonne schon rosarot angestrahlte, schneebedeckte Sechstausender - ein einmaliges Panorama.
Langsam stieg der Pfad entlang des Flusses an, erste Inkaruinen von Vorposten säumten bald den Trail. Eukalyptushaine mit kreischenden Papagaienschwärmen begleiteten uns.

Unterwegs plötzlich ein 3-Gang- Menü im Zelt, ein für Wanderer so nicht notwendiger Luxus, welcher aber von vielen Besuchern (v .a. wohl von amerikanischen Touristen) als Standard verlangt wird. Für die Nachtlager wurden Zweimannzelte aufgebaut sowie einfache Waschgelegenheiten. Wie schon am Titicacasee konnten wir auch hier im Hochgebirge den nächtlichen Sternenhimmel mit dem Kreuz des Südens genießen.
Nach dem ersten Frühstück stellten sich uns alle Träger und Köche vor; eine schöne Geste, welche wir gerne erwiderten.

Der zweite Trailtag war der anstrengendste, da er gleich zwei Pässe bereithielt. Mit 4.200 m ist der Pass der Toten Frau der höchste Punkt des ganzen Trails. Der Sage nach sollen zwei Nebenbuhler die gemeinsam begehrte junge Frau bis hier hinauf verfolgt haben, wo sie tot zusammenbrach. Unterwegs überholten uns zügigen Schrittes die Tragtiere der Anden: mit Taschen bepackte Lamas und ihre Führer, aber auch unsere leichtfüßigen Träger (in einfachen Sandalen!), welche im Nationalpark maximal 20 kg tragen dürfen.
Ab etwa 3.700 m wurde es insbesondere für die Älteren unter uns merklich beschwerlicher. Keiner von der Gruppe war bisher in dieser Höhe mit einem 8-10 kg schweren Rucksack unterwegs. Da der Pfad bis zum Pass stetig steil anstieg, musste zwangsweise bald alle 50 Meter eine Atempause eingelegt werden! Aber alle schafften es und wurden am Pass mit einem Gipfelschnaps begrüßt. Die Mittagspause legten wir glücklicherweise in einer geringeren Höhe ein. Danach folgte der Aufstieg zum zweiten Pass an diesem Tag. Diesen Kraftakt unterbrach – heißersehnt - ein Halt an der nächsten Inkaruine auf halber Höhe.

Ohne längere Pause schloss sich nahtlos der nächste Abstieg auf den nur grob mit Steinstufen versehenen Pfaden (in ständig wechselnder Tritthöhe) an, der uns hinunter in einen subtropischen Regenwald mit hoher Luftfeuchtigkeit und satt blühender Pflanzen führte. Auf einem kleinen Plateau tauchte dann unerwartet der Platz für das zweite Nachtlager auf! Nach einer Katzenwäsche schmeckte das Abendessen besonders gut, allerdings hatten manche aufgrund der Höhenlage trotz der strammen Tagesleistung kaum Hungergefühle.

Regenwald und Steilabstieg machen uns das Leben schwer

In der Nacht öffnete der Himmel alle Schleusen, der Regenwald war in seinem Element. Das frühe Aufstehen, das Anziehen von feuchter Kleidung im engen Zelt und das regenbedingt fluchtartige Aufsuchen des Küchenzeltes ließen uns schnell wach werden.
Wie Zwerge aussehend begannen wir unter unseren bunten Umhängen den dritten Wandertag auf dem Camino Inca. Kleine Frösche quakten zu Hunderten im triefnassen Moos. Bald hörte der Regen auf, Nebelschwaden wogten und ließen immer mehr Aussicht zu. Dann kam die Hiobsbotschaft: Kurz vor Machu Picchu, nach dem Sonnentor hatte ein Erdrutsch den Inkatrail unbegehbar gemacht! Dies bedeutete für unsere Gruppe den Abstieg um bisher unvorstellbare
1.700 Höhenmetern an einem Stück! Unterwegs besichtigten wir die bekannte Inkaruine Wiñay Wayna, angeschmiegt an einen Steilhang. Die ausgeklügelte Wasserversorgung und die akribisch angelegten Feldterrassen zeugten vom hochentwickelten Baustandard der Inkas. Danach folgte der Steilabstieg ins Urubamba-Tal mit anschließendem Regenmarsch zwischen der Bahnlinie und dem reißenden Fluss nach Aguas Calientes. Da vollbrachte ein Besuch des Thermalbades wahre Wunder an den geschundenen Muskeln und Gelenken.

20070506_FOC_Christian HaugUnser drittes Nachtlager erwartete uns aufgrund des Erdrutsches also nicht bei der Ruine Wiñay Wayna, um zum Sonnenaufgang am Sonnentor den ersten Blick über Machu Picchu zu genießen,
sondern tief unten im Urubamba-Tal in einem Gasthaussaal. Vielen von uns war die Enttäuschung darüber ins Gesicht geschrieben. Der die ganze Nacht über auf das Blechdach trommelnde Starkregen und der Gedanke, jetzt in einem kleinen Zweimannzelt zu stecken, milderte aber die Enttäuschung sofort wieder.
Mit dem ersten Pendelbus fuhren wir viele Serpentinen hoch zum Zielpunkt unserer gesamten Reise: Machu Picchu.

Dichte Nebelschwaden verdeckten zu Beginn unsere Führung fast die gesamte Anlage.
Aber dann lichteten sich Zug um Zug die feuchten Vorhänge und die sagenhafte Inkastadt konnte auf uns unbeschreiblich wirken. Ausmaß und Vielschichtigkeit der Anlage lassen sich nicht annähernd auf einer Postkarte abbilden. Zwischen grasenden Lamas erkundeten wir unter jetzt heißer Mittagssonne die so lange vergessene Stadt.
Wie viele Mannjahre an Arbeit waren hier wohl unter welchen Umständen geleistet worden? Damit hatten wir glücklich die erlebnisreichen Hauptwandertage unserer Reise überstanden, welche uns so viele bleibende Eindrücke geboten haben. Wir hatten zwar fast täglich kleinere Wehwehchen wie Verstauchungen, Kaktusstachel oder Durchfall zu beklagen – der Anblick Machu Picchus ließ uns jedoch alle Widrigkeiten vergessen.

Von nun an ging’s bergab

Eine abenteuerliche Zugfahrt zurück nach Cuzco beschloss unsere Reise. Ganz ungewohnt bewegte sich der Zug im Zick-Zack steil hinunter zum inzwischen prächtig beleuchteten Nabel der Welt. Nach der letzten Nacht in den Anden brachte ein Inlandsflug die Gruppe wohlbehalten in die Hauptstadt Lima zurück.
Bei einem festlichen Abschlussabend hieß es Abschied nehmen von einem vielseitigen Reise- und Wanderland, das so schnell keiner vergessen wird.

Christian Haug

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